
Der Ruf nach Freiheit - Pferdehaltung im Offenstall
Die Offenstallhaltung ist auf den ersten Blick ein Paradies für Pferde. Sie stehen nicht in einer Box, können sich frei bewegen und in ihrer Herde Spaß haben. Je nach Lust und Laune können die Pferde fressen, toben, sich bewegen oder sich ausruhen. Fast wie in der freien Wildbahn.
Jeden Morgen wenn ich auf unseren Offenstall zugehe in dem unsere acht Pferde und Ponys friedlich grasen, und die noch rötliche Sonne durch den morgenlichen Bodennebel scheint, löst diese Idylle in mir ein richtiges Glücksgefühl aus. Sobald unser Leitpferd, der große hellbraune „Brilliante“ mich entdeckt, hebt er den Kopf und wiehert, weil er mich erkennt. Das freut mich jedes Mal. „Diese freundschaftliche Verbindung zwischen Mensch und Tier, ist einfach unbeschreiblich schön“, sagt auch Moni Sekler, die Besitzerin unseres Ponyclubs, die schon seit mehreren Jahren einen Offenstall betreibt. „Die Entscheidung für diese Haltungsform habe ich bewusst getroffen, da ich glaube, dass meine Pferde ein glücklicheres Leben führen, wenn sie in einer natürlichen Umgebung leben können.“
Die Freude und Freiheit sind förmlich ansteckend, wenn unser kleiner brauner „Jakury“ den Kopf schüttelt und schnaubt, während er mit seinen Freunden „kleiner Onkel“, der tatsächlich so aussieht wie das Pferd von Pippi Langstrumpf, und dem schwarzen Pony „Tommy“ spielt. Es macht Spaß zu beobachten, wie ihre Mähnen im Wind wehen, während sie über die weitläufige Koppel galoppieren.
„Wir haben eine sehr harmonische Gruppe auf dem Ponyhof“, erklärt Moni Sekler, „deshalb kommen ernsthafte Streitereien oder Rangkämpfe selten vor. Allerdings besteht unsere Herde auch nur aus Jungs, wir haben keine Stuten. Das trägt selbstverständlich zur Harmonie bei“, ist sie sich sicher.
Dennoch musste ich leider öfters schon beobachten, wie unser Rentner „Rudi“ z.B. vom Futter verjagt wird. Das macht mich natürlich traurig, allerdings ist das ein normales Verhalten in einer Herde. Auch in der freien Wildbahn werden die älteren Tiere von den jungen Wilden „gemobbt“. Wir versuchen Rudi und auch anderen rangniedrigeren Pferden zu helfen, indem wir mehrere Futterstellen eingerichtet haben.
Laut einer Umfrage der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) aus dem Jahr 2018 bevorzugen viele Pferdebesitzer in Deutschland Offenställe oder Paddockboxen gegenüber traditionellen Boxenställen. Die genauen Zahlen können variieren, aber der Trend geht eindeutig hin zu mehr Offenstallhaltung. (Quelle: www.pferd-aktuell.de)
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die Pferde auf unserem Pferdehof sich sehr wohl fühlen mit der Herdenhaltung im Offenstall. Es erdet sie und tut ihnen gut. Unser „Gismo“ ist ein gutes Beispiel. „Er kam vor Jahren zu uns und war ein echtes Problempferd,“ erzählt Moni Sekler, „selbst von erfahrenen Reitern war er schwierig bis unmöglich zu reiten. Er war generell vom Verhalten her sehr schwierig und stand kurz davor eingeschläfert zu werden.“ Wir waren sehr verzweifelt und sind heute noch traurig, wenn wir an diese Zeit zurückdenken. Unser Offenstall war seine letzte Chance. In der Zwischenzeit ist Gismo wie ausgewechselt, vollkommen in die Herde integriert und total entspannt in jeglicher Hinsicht. Mein Herz geht auf, wenn ich sehe, wie sehr er sich zum Positiven verändert hat und wie sehr ihn auch alle Kinder aus dem Reitunterricht ins Herz geschlossen haben. Meiner Meinung nach hat die Herdenhaltung sehr viel dazu beigetragen.
Am Ende muss natürlich jeder selber entscheiden, ob eine Offenstallhaltung möglich ist und ob sie zu einem selbst und zu seinem Pferd passt. Ich bin jedoch eine absolute Fürsprecherin und kann mir nichts anderes mehr für unsere Pferde vorstellen. Für mich ist also die Offenstallhaltung auch auf den zweiten Blick ein Paradies für Pferde.