Wahlen ab 16?
Wahlen ab 16?
Erstmalig war das Wahlalter in Deutschland bei den diesjährigen Europawahlen bereits auf 16 herabgesetzt. Aktuelle Umfragenergebnisse zeigen nun, dass die teils als rechtsextremer Verdachtsfall eingestufte Partei AFD bei den 16 bis 24-Jährigen mit 16% einen hohen Stimmanteil erlangt hat. (1) Besonders in Hinblick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen stellt sich nun die Frage, ob die Absenkung des Wahlalters auf 16 nicht doch eine überstürzte Entscheidung war und die Unreife der Jugendlichen ausdrückt?
Für mich ist diese Frage ganz klar zu beantworten. Nein. Wählen ab 16 ist wichtig und notwendig und die Entscheidung war längst überfällig. Die Beteiligung von jungen Menschen an den politischen Entscheidungen, welche vorrangig ihre Zukunft betreffen, ist essenziell. Sie ist unbedingt notwendig für das Verstehen und Bestehen unserer Demokratie und auch das Erhalten einer lebenswerten und nachhaltigen Zukunft.
Allerdings zeigen die jetzigen Wahlergebnisse vor allem eine Sache: den massiven Mangel an politischer Bildung. Die politische Bildung ist in Deutschland mangelhaft bis ungenügend. Es muss über Politik aufgeklärt werden, um an dieser partizipieren zu können. Der Sozialkunde- und Geschichtsunterricht muss überarbeitet und umstrukturiert werden. Fächerübergreifende Themenblöcke müssen geschaffen werden und weiterhin ist eine intensive Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich notwendig und von höchster Prioriät. Über die Problematik des Extremismus, besonders des Rechtsextremismus und Deutschlands Geschichte mit ihm, muss aufgeklärt werden. Auch die AFD muss in den Unterricht integriert werden und über die ernstzunehmende Problematik diskutiert werden. Lehrer*innen müssen den Demokratiegedanken fördern und explizit die Gefahren, welche vom Rechtsextremismus ausgehen, formulieren.
Auch muss die politische Bildung das schulische Maß übersteigen. Schüler*innen müssen zum eigenständigen Entwickeln einer politischen Meinung angeregt werden, um nicht blind dem familiären Umfeld in Wahlentscheidungen zu vertrauen.
Es kann und darf Jugendlichen nicht vorgeworfen werden, dass sie ohne größeres Nachdenken die gleichen Wahlentscheidungen wie ihr familiäres Umfeld treffen. Die Bildung fehlt und die Problematik ist teils tiefgehend in den familiären Strukturen verankert. So kann auch der älteren Generation vorgeworfen werden, dass diese ohne größeres Nachdenken immer wieder dieselbe Partei wählt.
Weiterhin war bereits vor den Wahlergebnissen der Rechtsruck in Europa bekannt. Dieser ist nicht neu und zieht sich durch alle Altersklassen. So ist nämlich die AFD die stärkste Kraft primär in der Altersgruppe 35 bis 45. (2)
Somit ist es ungerecht und absurd, einer Bevölkerungsgruppe das Wahlrecht, aufgrund des hohen Stimmenanteils der AFD, abzusprechen. Es ist beängstigend, ja, allerdings keineswegs überraschend. Der massive strukturelle Mangel an politischer Bildung ist verantwortlich für dieses Ergebnis. Die Absurdität zeigt sich auch in folgendem Beispiel: Wenn die Logik, dass 16-Jährige künftig nicht mehr wählen dürfen, da der Stimmanteil bei der AFD zu hoch war, nämlich auf andere Altersgruppen angewendet würde, könnte genau so gut hinterfragt werden, warum die 35- bis 45-Jährigen einen so hohen Stimmanteil bei der AFD haben. Trotzdem hinterfragt niemand das Wahlrecht dieser Gruppe.
Abschließend ist das Wahlrecht ab 16 absolut sinnvoll. Es funktioniert allerdings nur mit einer Umstrukturierung der politischen Bildung in Deutschland.
1,2 (Quelle: Tagesschau, 11.06.2024: Wen wählten Jüngere und Ältere?, www.tagesschau.de/wahl/archiv/2024-06-09-EP-DE/umfrage-alter.shtml (entnommen am 11.06.2024))