Mit Kulturwissen Risiken minimieren
Der neue Studiengang Kulturwissenschaften an der Münchner Bundeswehr-Universität will Offizieren interkulturelle Kompetenz für zivile und militärische Einsätze an die Hand geben.
Kulturwissenschaften und Bundeswehr? Wie reimt sich das zusammen? Welche Rolle spielen Kunst, Religion, Anthropologie oder Schutz von Kulturgütern bei Einsätzen in Friedens- und Kriegszeiten? Darüber konnten wir im Rahmen des Projekts Schule & Zeitung mit Marc Frey, Professor an der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften sprechen.
Schüler: Welches Wissen vermittelt ein Studium der Kulturwissenschaften?
Marc Frey: Es ermöglicht tief gehende Einblicke in menschliche Kulturen und Gesellschaften. Der Schwerpunkt unseres Studiengangs liegt auf afrikanischen Kulturen, spezifisch nordafrikanischen. Sprachkenntnisse, insbesondere in Arabisch und Französisch, sind von großer Bedeutung, um den Zugang zu Quellen und den direk-ten Austausch zu fördern. Regionale Kenntnisse über Europa, den Mittelmeerraum und das frankophone Subsahara-Afrika sind zudem sehr wichtig für ein umfassendes Verständnis kultureller Dynamiken.
Aus welchen Fachbereichen setzt sich der Studiengang zusammen?
Innerhalb der Rechtswissenschaft liegt der Fokus auf dem Schutz kultureller Güter, wodurch Studierende sich intensiv mit den rechtlichen Aspekten des Kulturgüterschutzes auseinandersetzen. In der Politikwissenschaft steht der Vergleich politischer Systeme im Vordergrund, besonders mit einem Fokus auf Afrika durch Compa- rative Politics. Die Neuere Geschichte vertieft sich in die Kulturgeschichte Nordafrikas, während die Sozialanthropologie sich auf Flucht, Migration und soziale Mobilität konzentriert. Die Religionswissenschaft widmet sich dem modernen Islam, und die Kulturtheorie rundet das Studium ab, indem Studierende ermutigt werden, theoretische Ansätze kritisch zu reflektieren. Ein interdisziplinäres Studium also, das praxisnahe Einblicke vermittelt und ein umfassendes Verständnis für die Vielfalt kultureller Phänomene schafft.
Welche Voraussetzungen sollten Studierende mitbringen?
Ein besonders ausgeprägtes Interesse an Sprachen, Neugier sowohl auf die eigene als auch auf andere Kulturen, die Bereitschaft zu Reisen und das Interesse an sozialwissenschaftlichen Fächern wie Geschichte, Sozialkunde oder Politik. Auch Kommunikationsfähigkeit und soziale Kompetenz sind von Vorteil und die Bereitschaft, sich aktiv am interdisziplinären Austausch einzubringen. Mathematische Kenntnisse sind für dieses Studium nicht zwingend erforderlich.
Welche beruflichen Möglichkeiten bietet ein Studium der Kulturwissenschaften?
Eine Option ist, sich als Peacekeeper bei internationalen Friedensmissionen zu engagieren. Eine Aufgabe wäre hier, sich aktiv für Stabilität und Konfliktprävention einzusetzen. Auch die Intelligence, der Bereich der Geheimdienste, bietet Karrierewege. Absolventen mit einem Hintergrund in Kulturwissenschaften können dazu beitragen, kulturelle Kontexte zu verstehen und in den Dienst der nationalen Sicherheit zu stellen. Auch sogenannte bewaffnete Botschafter, die ausgebildet sind, sowohl diplomatische Beziehungen zu pflegen als auch die nationale Sicherheit zu fördern, können mit ihren Kenntnissen Brücken zwischen verschiedenen Ländern und Gemeinschaften schlagen. Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit sind weitere Gebiete, in denen Absolventen ihre Fähigkeiten einbringen können. Auch eine Tätigkeit bei internationalen Organisationen wäre möglich. Ebenso in der Privatwirtschaft, sei es im Bereich Export und Import oder Tourismus. Interkulturelle Kompetenz ist in der heutigen, globalisierten Welt ein entscheidender Vorteil. Auch Medien oder Museen bieten attraktive Optionen. Hier werden kulturwissenschaftliche Kenntnisse gebraucht, um Ausstellungen zu kuratieren, Bildungsinhalte zu gestalten, kulturelle Veranstaltungen zu organisieren, komplexe kulturelle Zusammenhänge zu verstehen und in der redaktionellen Berichterstattung zu vermitteln.
Inwiefern unterscheidet sich das Studium der Kulturwissenschaften an einer militärischen von dem an einer zivilen Universität?
An der Universität der Bundeswehr gibt es keine inhaltlichen Unterschiede zu zivilen Universitäten, da es sich um eine rein wissenschaftlich-akademische Ausbildung handelt. Die Studierenden, die sich bewusst für die Bundeswehr entschieden haben, sind Offiziere und repräsentieren eine vielfältige Gruppe aus ganz Deutschland. Im Gegensatz dazu sind zivile Institutionen eher regionaler ausgerichtet. Dies führt zu einer sozialen Vielfalt unter den Studierenden, die unterschiedliche Hintergründe aufweisen, darunter auch viele mit Eltern ohne akademischen Hintergrund. Diese Diversität trägt zu einem reichhaltigen und dynamischen Lernumfeld bei, in dem unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen zusammenkommen.
Wieso liegt der Fokus besonders auf der afrikanischen Kultur?
Afrika nimmt eine wichtige Stellung ein, da der Kontinent hierzulande vergleichsweise wenig studiert wird. Diese unterrepräsentierte Perspektive macht den Studiengang besonders relevant und bedeutend. Die wenig beachtete Erforschung von Afrika in Deutschland steht im Widerspruch zu den tief greifenden Verflechtungen und Auswirkungen, die zwischen den beiden Regionen bestehen. Die steigende Anzahl von Geflüchteten aus Afrika unterstreicht die Notwendigkeit eines vertieften Verständnisses der afrikanischen Kulturen und Gesellschaften. Ein solches Wissen ist für eine interkulturelle Kommunikation und für die Integration der Ankom-menden von Bedeutung. Insbesondere Französisch- und Arabischkenntnisse erleichtern die Kommunikation in afrikanischen Ländern. Dies trägt zu einer verbesserten interkulturellen Verständigung bei und dazu, Brücken zu bauen, Kommunikation zu verbessern und eine umfassendere Beziehung zwischen den beiden Regionen zu entwickeln.