Linus Schubert

Eine letzte Abfahrt?

self-Logo 05.04.2023 Linus Schubert, Ricarda-Huch-Schule Hannover

Die Wiesen sind grün, die Sonne guckt hinter den Wolken hervor und anstatt Schneemassen, die sich neben den Straßen häufen, kann man nur hoffen das man eine dünne Schneedecke in Richtung Skigebiet auf dem Boden wahrnehmen kann. Je höher man fährt, desto größer wird die Enttäuschung vieler, natürlichen Schnee erst an hoch gelegenen Gipfeln zu sehen. Nach langer Anfahrt im Skigebiet angekommen und auf dem Weg zur ersten Abfahrt kann man von der Gondel aus die riesigen Schneekanonen beobachten. Diese beschneien stundenlang die Skipisten, damit der Pistenbetreiber diese die Skisaison über geöffnet lassen kann.

Doch auch die Schneekanonen werden die zukünftigen Probleme der Skigebiete nicht lösen können und bringen zusätzlich ihre eigenen Schwierigkeiten mit sich. So sind dieses mit vielen Kosten verbunden, welche bei einem Kubikmeter Kunstschnee zwischen drei und fünf Euro betragen. Die Schneekanonen funktionieren außerdem erst bei einer Temperatur von -2 Grad und bringen die gewünschte Effektivität eigentlich erst ab Temperaturen von -10 Grad und tiefer. Das wird für viele Skigebiete in Zukunft ein großes Problem darstellen, da heutzutage schon im Talbereich auf über 1000 Metern die Temperaturen nicht regelmäßig unter -5 Grad liegen. Da die Berge, auf denen die Skipisten liegen aber oft bis zu 2000 Meter Höhe besitzen, sorgen die Temperaturen dort noch nicht unbedingt für Probleme beim Beschneien.

Jetzt schon ist ein deutlicher Mangel an Naturschnee zu beobachten, wodurch die Schneekanonen immer mehr gefragt werden. Doch auch die Skigebiete, welche nicht über 2000 Metern Höhe besitzen werden in Zukunft nicht vom stetigen Temperaturanstieg zu sichern sein und die Erderwärmung wird dafür sorgen, dass das Produzieren von Kunstschnee nicht mehr vernünftig möglichen sein wird. So werden im Jahr 2050 hierzulande voraussichtlich nur noch zwei bis drei Skigebiete geöffnet sein, wie Oberstdorf oder Garmisch-Partenkirchen, welche auf über 2220 Metern liegen und unter den zunehmend erschwerten Bedingungen trotzdem weiterhin rentabel betrieben werden können.

Aus der Gondel ausgestiegen genießt man die schöne Aussicht und die Bergketten, welche sich vor einem erstrecken. Man atmet tief ein und aus und spürt die frische und eisige Bergluft an sich vorbeiziehen. Anschließend steigt man in die Bindung der Skier und schaut ein letztes Mal auf die Karte des Skigebietes, um sich für die erste Abfahrt des Tages zu entscheiden und beim Fahren hört man seit Langem mal wieder den von den Pistenraupen frisch präparierten Schnee unter den Skiern knirschen. Doch durch die von den Pistenraupen zusammengepressten Schneedecken leiden die darunter liegenden Böden, da diese so oft deutlich tiefer frieren als bei Naturschnee, da dieser sich lockerer legt. Durch das starke Einfrieren der Böden leiden Pflanzen und Bodenorganismen stärker, wodurch der Boden auf einen langen Zeitraum gesehen immer weiter absterben wird. Dieser Verlust an Biodiversität ist im Sommer deutlich zu merken, wenn sich braune Flecken über die sonst fröhlich bunten Wiesen verteilen.

Auf dem Weg nach unten hört und sieht man auch hier wieder an der ein oder anderen Gabelung die großen, lauten Schneekanonen beim Produzieren von Schneebergen abseits der Pisten, damit die Pistenraupen diesen später wider zum Präparieren der Pisten verwenden können. Doch auch dieser Schnee ist mit einer Menge Aufwand verbunden. So benötigen die Schneekanonen bei einer produzierten Menge von 2,5 Kubikmetern Kunstschnee auch eine Menge von ca. einem Kubikmeter Wasser. Wenn man diese Mengen mit der Grundbeschneiung von ungefähr 30cm Höhe und einer Pistenfläche von einem Hektar zusammenrechnet, kommt man auf 1000 Kubikmeter Wasser, welches zum Beschneien dieser Fläche benötigt werden würde. Diese riesigen Mengen von Wasser nimmt man aus Schmelzwasserbächen oder Stauseen. Diese werden immer öfter in der Umgebung angelegt um den steigenden Bedarf an künstlich erzeugtem Schnee zu decken. Beide bedienen an dem Schmelzwasser aus Schnee- und Eisschmelze nach der Kälteperiode, welches über die Bäche und Flüsse ins Tal fließt. Dieses Schmelzwasser wird daraufhin in den Stauseen oder Schmelzwasserbächen gesammelt, um im anschließenden Winter für das Beschneien genutzt zu werden. Das ist ein effektives Verfahren um den Naturschnee wiederzuverwenden und erspart den Talbewohnern viele Probleme, da dieses Schmelzwasser sonst im Frühjahr oder Sommer immer wieder zu Hochwasser in den Bächen und Flüssen führt und es dadurch öfters zu Überschwemmungen in den Tälern kommen kann.

Am Ende der Abfahrt angelangt entscheidet man sich anschließend für einen Sessellift, welcher in Richtung einer Skihütte fährt. Man scannt seinen Skipass ein und die Metallschranken öffnen sich. Ohne Skipass wäre das Nutzen der Lifte und somit das Skifahren nicht möglich, was in Zukunft für viele Menschen zum Problem werden könnte. Das liegt daran, dass die Skipässe eine Menge Geld kosten, was sich erstmal nicht ändern soll. Ganz im Gegenteil. Man kann jetzt schon anhand der Tageskarten welche bis zu 10% teurer geworden sind einen deutlichen Anstieg der Skipässe spüren. Dieser Preis setzt sich aus den Betriebskosten des Skigebietes zusammen welche Schneekanonen, Lifte, Personal und weitere Kosten beinhalten, welche beim Betreiben eines Skigebietes aufkommen können. Irgendwann werden die Leute also nicht mehr bereit sein das zu bezahlen und die Skigebiete verlieren nicht nur durch klimatische Bedingungen an Existenz, sondern auch durch mangelnde Nachfrage. Es entsteht ein Teufelskreis, welcher sich immer weiter zuspitzt und jedes Problem das andere vorantreibt. So sieht auch der Tourismusforscher, Professor Dr. Jürgen Schmude, das Betreiben von Skigebieten in großer Gefahr. Er ist der Meinung, dass der Winter in den Bayerischen Bergen heutzutage nicht mehr mit Schnee gleichsetzbar ist. Dazu sagt er: „Kurzfristig gesehen können die Skigebiete eigentlich nur in technische Lösungen gehen, das heißt sie können über die künstliche Beschneiung dafür sorgen dass ausreichend Schnee vorhanden ist“ und macht damit deutlich, dass man den Einsturtz des Skitourismus nur überbrücken kann.

An der Skihütte angekommen, sieht man die Leute draußen in der Sonne sitzen und man riecht schon von weitem den Duft von Kaiserschmarrn und Germknödeln, welche überall auf den Tischen stehen. Doch auch auf der Skihütte ändern sich die Gedanken von den bevorstehenden Problemen erstmal nicht. Auch hier machen sich die Gastronomieleiter nämlich große Sorgen über die anstehenden Jahre, welche sehr stark von Unwissenheit und wachsenden Problemen geprägt sind. So besteht für die Betreiber die Aufgabe in den nächsten Jahren über das Entlassen von Personal oder im Extremfall einer Schließung der Skihütte nachzudenken. Das hängt mit dem bevorstehenden Verlust an Skiinteressenten zusammen, welcher nicht nur Skihütten oder Restaurants betrifft, sondern auch umliegende Hotels. Dessen Haupteinkommensquelle sind Skifahrer und die meisten Hotels sind dementsprechend auch mit Skikeller und Skigeschäften ausgestattet. Das soll den Skifahrern in der Skisaison einen angenehmen Aufenthalt zu ermöglichen, um daraus einen möglichst großen und gewinnbringenden Umsatz zu erzielen. Doch ähnlich wie bei den Skihütten bleibt die Personal- sowie Zukunftsfrage ungeklärt.

Während man in der Skihütte sitzt und etwas zu Mittag ist, gehen einem solche Gedanken oft erstmals durch den Kopf. Dabei bemerkt man wie viele Faktoren eigentlich dafür sorgen, dass so ein Skigebiet überhaupt betrieben werden kann. Es muss sich neben den Pisten nämlich auch um die Sicherheit vor Lawinen, die Lifte und Gondelstationen, sowie die Einsätze von Helikoptern, Schneemobilen und Ärzten gekümmert werden. Diese Faktoren werden von Angestellten des Skigebietes und in einem engen Austausch mit der Bergwacht koordiniert. Doch am Ende des Tages kann das Skigebiet nur so lange betrieben werden wie der Klimawandel dies zulässt.

Nachdem man auf der Hütte gegessen hat entscheidet man sich nach einem langen und anstrengenden Skitag die Abfahrt in Richtung seines Hotels zu fahren. Man steigt das letzte Mal in die Bindung der Skier, setzt seine Skibrille auf und beobachtet die Sonne auf dem Weg nach unten dabei, wie sie gerade hinter den Bergen verschwindet. Man genießt das Skifahren an diesem Tag ein letztes Mal in vollen Zügen, da man nicht weiß, ob das die letzte Abfahrt sein wird, die man fährt.


Promedia Maassen
06.04.2023 09:57 Uhr
Lieber Linus, vielen Dank für deinen Blogbeitrag! Wir finden deinen Text sehr gelungen, denn obwohl dieses Thema in letzter Zeit häufiger in Medien zu finden war, hat dein Text noch viele interessante Informationen geliefert und gleichzeitig hast du viel Atmosphärisches eingebaut, sodass man den Skitag sehr schön mitverfolgen kann. Der Klimawandel wirkt sich auf viele Bereiche aus und es ist ungewiss, wie schnell sich dadurch vieles ändern wird...Da gibt es viel für uns Menschen zutun, sei es um den Klimawandel nicht weiter zu beschleunigen oder sich eben den veränderten Bedingungen anpassen... Aber die Abfahrt am Ende des Tages in vollen Zügen zu genießen ist sicherlich immer gut ;-) Liebe Grüße vom Promedia Maassen Team

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