Einen unpolitischen Sport gibt es nicht

self-Logo 07.02.2023 Julius Bestehorn, Davida Schauer, Sebastian Stich, Samuel-Heinicke-Fachoberschule München

Fußball-WM, Olympische Spiele, Weltmeisterschaften – geht es im Sport noch um Fairplay und Verbindung oder nur noch um Geld, Macht und Image?

Ein Ball und ein Tor reichen, um mit wildfremden Menschen gemeinsam großen Spaß zu erleben. Sie müssen nicht einmal dieselbe Sprache sprechen, denn Sport verbindet Menschen. Nationalität, kulturelle und politische, religiöse und gesellschaftliche Unterschiede spielen da keine Rolle. Sport hat demnach nichts mit Politik zu tun, oder? Mit dieser Frage beschäftigt sich Christopher Huth, Professor für Sport- und Gesundheitsmanagement an der Universität der Bundeswehr in München. Denn die Diskrepanz zwischen Sport als Symbol für Lebensfreude, Völkerverbindung, Gesundheit, Teamgeist und ausufernder Kommerzialisierung, Korruption und Betrug ist eine Tatsache.

„Wir haben im Sport ähnliche Hierarchien wie beim Staat“, sagt Huth. „Die Lokal-, Bezirks-, Landesebene ist für den Breitensport zuständig – die Bundesebene für den Spitzensport.“ Regeln werden im Sport festgelegt, die gesetzlichen Grundlagen dafür legt die Politik fest, konkret das Innenministerium. Es gibt den Rahmen für Sicherheit, Fair Play oder die Bekämpfung von Missständen vor. Die Strafverfolgung von Doping, Korruption oder sexuellem Missbrauch ist somit ebenso politische Aufgabe wie der Bau von Sportstätten, die Förderung talentierter Sportler oder die Unterstützung von Sportvereinen. Wenn beispielsweise zu wenige Hallen vorhanden sind, üben die Sportverbände Druck auf die zuständige Kommune, Landes- oder Bundesregierung aus. Meist mit Erfolg, denn die Verbände sind oft einflussreiche Lobbyisten. Ganz oben steht der DFB mit seinen mehr als sieben Millionen Mitgliedern. Er ist der einflussreichste, aber nicht der größte. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) mit etwa 27 Millionen Mitgliedern ist das Schwergewicht.

Sport hat also umgekehrt auch Einfluss auf die Politik. Jede Regierung hat nicht nur ein großes Interesse an der Gesundheit der Bevölkerung, sondern auch am Spitzensport. Daher fördert die Regierung den Sport massiv. „Ohne politische Unterstützung hätte es 2006 in Deutschland keine WM gegeben“, sagt Huth. Im Übrigen unterstützen auch Bundeswehr, Polizei und Zoll den Sport. Eine Sportförderung gehört bei diesen Institutionen zur Berufsausbildung. Eine Ausnahme ist der Motorsport. Den unterstützt der Staat nicht.

Noch mehr als die Politik ist aber die Wirtschaft involviert. Die Einnahmen für Werbung, Senderechte, Merchandising-Ausrüstung sind gigantisch – und aus den Einnahmen fließen Milliarden an Steuergeldern an den Staat zurück. Speziell war die Vergabe der Fifa-Weltmeisterschaft von 2022. Ein Wüstenstaat ohne Fußballtradition bekam 2010, zur allgemeinen Überraschung, den Zuschlag für die Ausrichtung der WM. Mit freundlicher Unterstützung der Fifa, einiger anderer Sportfunktionäre und EU-Parlamentarier. Selbstredend, dass dabei viel Geld geflossen ist. Die Empörung war groß, es gab Boykott-Aufrufe. „Nie zuvor wurde ein Gastgeber einer WM-Runde so kritisch gesehen wie Katar“, sagt Huth. Jedoch fand die WM dort statt. Trotz Schmiergeldern, manipulierter Wahlergebnisse, Menschenrechtsverletzungen, Tausender Bauarbeiter, die beim Bau der Stadien zu Tode kamen, homophober oder frauenfeindlicher Äußerungen katarischer Botschafter und Funktionäre. Ein Musterbeispiel dafür, wie sportliche Großereignisse von Regierungen genutzt werden können, um ihr internationales Image aufzuwerten. Jedoch nicht das erste und einzige für eine Verquickung von Sport und Politik. Schon die Olympischen Spiele von 1936 in Berlin waren zum Propaganda-Fest für das NS-Regime geworden. 1972 fand in München das Attentat auf israelische Sportler statt. 1980 boykottierten westliche Länder die Spiele in Moskau, 1984 umgekehrt der Ostblock die Spiele in Los Angeles, und auch bei den Spielen in Peking im Winter 2022 gab es diplomatischen Boykott wegen Menschrechtsverletzungen.

Sport ist immer auch politisch. Das ist gut und schlecht zugleich. Im guten Fall profitieren Sportlerinnen und Sportler von Förderungen, im schlechten Fall sind sie die Leidtragenden. Und sollen das Gebaren der Funktionäre durch großartige Leistungen vergessen lassen. Das „Prinzip Katar“ gab es schon immer und wird es weiter geben, wenn die Politik den Sport für ihre Zwecke nutzt beziehungsweise ausnutzt. Selten geht es dabei um Menschen, die einfach nur Freude an einem Ball und einem Tor haben.



Kommentar schreiben