
Rentenangst
Wie jeden Tag sitzt Günther vor dem Fernseher. Er sieht sich eine Dokumentation über das alte Ägypten an. „Folgen Sie auch gerne unserem YouTube-Kanal, dort finden Sie weitere Informationen zu diesem und weiteren Themen.“ Er wechselt den Sender. „Diese Bilder im Zusammenhang mit dem Bruch des AquaDoms wurden uns über Instagram zugesendet.“ Er schaltet ab. Immer öfter sieht er, wie im Fernsehen auf soziale Medien aufmerksam gemacht wird. „Die jungen Leute denken nicht mehr so viel nach, sie liken, kommentieren und wollen so sein wie ihre Idole auf diesen Plattformen. Doch wer denkt an uns, die auf die jüngeren Generationen angewiesen sind?“, erklärt er. „Als ich meine Enkelin fragte, was sie einmal beruflich werden möchte, sagte sie, sie wolle ein eigenes „Small Business“ betreiben, Perlenketten flechten und diese auf Instagram und YouTube bewerben. Da frage ich mich, gibt es viele, die auch so denken? Was wird aus uns und unseren Kindern, die jetzt schon arbeiten? Werden die „Influencer“ auch in die Rentenkasse einzahlen? Wie sollen wir denn über die Runden kommen? Vor allem bei der jetzigen Inflation!“ Der 74-Jährige ist in Sorge.
Tatsächlich ist der Wunsch Influencer zu werden in den letzten Jahren gestiegen. Jedoch ist die Chance, damit genügend Geld zu verdienen, gering. Es gibt Menschen, wie z.B. Trymax, Montanablack, Gnu, BastiGHG und Ungespielttv, die tatsächlich gut Geld mit dem Influencer-Dasein verdienen. Jedoch hat dies mit viel Glück und Marketing-Wissen zu tun. Zudem sind nicht wenige Leute auf diesen Plattformen zu finden. Milliarden Menschen sind auf den Plattformen angemeldet und stellen Dinge über ihr Leben ins Internet. Dass eine einzelne Person dabei so berühmt wird, ist sehr unwahrscheinlich. Dazu muss man etwas Einzigartiges haben, was die Zuschauerschaft anzieht, oder man muss von Anfang an dabei gewesen sein. Dies ist den meisten Jugendlichen bewusst, weshalb sie Social Media in ihrer Freizeit machen oder als Plattform zum Bewerben ihrer Produkte nutzen. In die Rentenkasse zahlen also weiterhin genug Leute ein?!
„Meine Frau meint, ich überteibe. Berufe ändern sich“, sagt sie. "Aber noch nie habe ich eine so große Veränderung erlebt, wie diese. Es war einfacher, sich von der Planwirtschaft auf die soziale Marktwirtschaft umzustellen. Manchmal ist es besser, wenn es so bleibt, wie es ist", meint der Rentner.
Social Media durchdringt viele Bereiche unseres Lebens. Die Freizeit ist dabei am meisten durch Plattformen wie Instagram, Snapchat oder Twitter geprägt. Jedoch ist Social Media auch in klassischen Berufen vertreten. Es werden immer mehr sogenannte: „Lehrer Storytimes“ angezeigt. In kurzen Videos erzählen Lehrer über etwas, was bei ihnen im Unterricht passiert ist, oder geben Tipps an andere Lehrer, wie sie ihren Unterricht lockerer gestalten können. Zwar sind diese Videos in Amerika häufiger vertreten, finden ihren Weg allerdings auch nach Deutschland. In den Kommentaren: Hunderte von Jugendlichen, die meinen, dass sie es sich doch überlegen, nicht lieber Lehrer/in zu werden. Durch Social Media wird also nicht nur der Beruf des Influencers beworben, stattdessen wird einem planlosen Jugendlichen eine Welt voller Möglichkeiten offengelegt und manchmal sogar ein kleiner Einblick in das Arbeitsleben ermöglicht.
„Ich denke, dass Günther manchmal übertreibt“, meint die Tochter des 74-Jährigen. „Das Rentensystem ist sicher. Es wird nicht einfach von jetzt auf gleich zusammenbrechen, nur weil einige Jugendliche ihr Leben auf sozialen Plattformen teilen wollen. Würde es so instabil sein, würde ich Deutschland nicht als einen Sozialstaat bezeichnen.“
Die soziale Rentenversicherung ist in der Tat mit Gesetzen gesichert. Spätestens seit Artikel 13 wissen wir, dass es ziemlich schwer ist, ein Gesetz einfach so zu ändern. Zudem ist es auch niemandes Absicht, die Rente abzuschaffen, oder dieser zumindest zu schaden.
Wir begleiteten Günther auf dem Weg zu seinem Kindheitsfreund Olaf. Die Freunde wollen sich treffen, um etwas Schach zu spielen. „Meine Frau ist letztens an einem Herzinfarkt gestorben“, erzählt uns der 78-jährige Witwer. „Sie ist nicht gestorben, weil wir hungerten, oder froren. Sie ist gestorben, weil es ihr gesundheitlich nicht gut ging. Die Rente hat uns gereicht. Wir sind über die Runden gekommen, konnten sogar etwas reisen. Ich denke nicht, dass unsere Kinder Probleme mit der Rente haben werde. Unsere Enkel vielleicht, aber mit genauer Sicherheit kann ich das nicht sagen.“