Klaus Schmidt, Imago

Kritische Infrastruktur - wie sicher sind wir?

self-Logo 12.03.2024 Felix Stern, Luka Pawelski, Q 12, St.-Anna-Gymnasium

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hält eine Kriegsgefahr heute für real. Doch damit Prävention stattfindet, braucht es einen Stresslevel.

„Deutschland hat keine krisenresistente Infrastruktur – zumindest eine nur unzureichende“, kritisiert Norbert Gebbeken, Professor und Gründer des Forschungszentrums RISK (Risiko, Infrastruktur, Sicherheit, Konflikt) der Universität der Bundeswehr München. „Bei Naturkatastrophen wie Sturzfluten und Extremstürmen fallen unsere kritischen Infrastrukturen regelmäßig und nahezu vollständig aus – und das schon seit Jahrzehnten.“

Jüngste Krisen wie die Corona-Pandemie, die das Gesundheitssystem an seine Grenzen gebracht hat, der Krieg in der Ukraine, die Flut im Ahrtal 2021, aber auch Sabotageakte bei der Deutschen Bahn oder an der Nord-Stream-Pipeline haben die Bedeutung des Schutzes von kritischer Infrastruktur (KRITIS) in das Bewusstsein von Politik, Medien und Gesellschaft gerückt. Doch wie resilient sind wir gegenüber äußeren und inneren Bedrohungen? Denn fast alle Systeme der kritischen Infrastruktur sind frei zugänglich und deshalb auch durch Sabotage, Unfälle, Naturkatastrophen oder Terrorismus gefährdet. Inzwischen beschäftigen sich rund 70 Mitglieder aus acht Fakultäten an der Universität der Bundeswehr multidisziplinär mit kritischer Infrastruktur und den Fragen, die damit zusammenhängen. 

Bislang gab es in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen wie im IT-Sektor keine Regelung, welche Systeme als kritisch gelten und wie diese zu schützen wären. Mit dem vom Bundesinnenministerium stammenden KRITIS-Dachgesetz von 2023 zur Umsetzung neuer EU-Richtlinien soll sich das ändern. Ziel ist es, die Widerstandsfähigkeit von kritischer Infrastruktur in Krisensituationen zu stärken, so dass ein Mindestlevel der Versorgung, das als unverzichtbar gilt, in jedem Fall erhalten bleibt. Grundlage ist etwa der bessere Schutz der baulichen Anlagen – vom Verkehr über die Energieversorgung bis zum Finanzwesen. Dazu zähle auch der Kom-munikationssektor, der gegen die allgemeine Erwartung zu 80 Prozent von physischen Anlagen wie Rechenzentren oder Leitungen abhängig sei. Als Kernproblem identifiziert Gebbeken komplexe Wechsel-wirkungen. Die Abhängigkeit der Systeme untereinander sei so enorm, „dass wir sie allein mit dem menschlichen Verstand nicht mehr fassen können“. Am RISK kommen daher auch KI-basierte Modelle zum Einsatz, die eine effektivere Risikoeinschätzung bestimmter Systeme in besonderen Szenarien ermöglichen.

Während Politik und Medien meist den Begriff der „gefühlten Sicherheit“ verwendet, erforscht man bei RISK, wie man die Resilienz verschiedener Systeme gegenüber Bedrohungen messen und berechnen kann. Eine Quantifizierung der Gefahr also. Diese bestimmt das Maß der Eintrittswahrscheinlichkeit und der verursachten (Sach-)Kosten und Verluste. Je höher dieses Maß ist, desto eher müsse man Ressourcen aufwenden und Sicherheitskonzepte erarbeiten, um die betroffenen Bereiche besser zu schützen. Weil der Schutz von insbesondere baulichen Anlagen mit teilweise hohen Kosten verbunden ist, „spielt hier vor allem die gesellschaftliche Akzeptanz eine Rolle“, so Gebbeken. Problematisch sei diese Akzeptanz von Sicher- heitsmaßnahmen gerade dann, wenn die Katastrophe, vor der man warne, noch gar nicht oder vor langer Zeit eingetreten sei. Bereits im Jahr 2016 habe das RISK mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BBK) eine Dokumentation mit dem Titel „Die unterschätzte Gefahr: Sturzflut“ herausgegeben, für die sich damals kaum je-mand interessiert habe. Seit der Ahrtal-Katastrophe ist diese Dokumentation die am meisten heruntergeladenen Dokumentation des BBK. Dieses Phänomen nennt Gebbeken „Präventionsparadox“, denn Vermeidung, Vorsorge und Vorbereitung auf Krisen erhalte kaum Aufmerksamkeit, was es schwierig mache, Maßnahmen zum besseren Risiko-Schutz rechtzeitig auf den Weg zu bringen.

Die Widerstandsfähigkeit der kritischen Infrastruktur hänge von politischen Vorgaben, gesellschaftlicher Akzeptanz und ökonomischer Zahlungsbereitschaft ab. Eine krisenresistente Infrastruktur sei vor diesem Hintergrund nur möglich, wenn der Prävention mehr Aufmerksamkeit geschenkt werde. Denn auch beim Schutz der kritischen Infrastruktur gelte: "Vorsorge ist besser als Nachsorge."






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