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Tischtennis- Der unterschätzte Sport

self-Logo 06.04.2023 Hinrich Senf, Ricarda-Huch-Schule Hannover

Mit bis zu 180 km/h schießen die Bälle über die Platte, Reaktions- und Konzentrationsfähigkeiten sind gefragt, spektakuläre Ballwechsel oder das einfache Spiel gegen den besten Freund. Rückhand oder Vorhand? Top-Spin oder Schuss? Diese Entscheidungen müssen im Bruchteil einer Sekunde getroffen werden.

Spielern die im Verein spielen, ist schnell aufgefallen dass es viele Unterschiede im Vergleich zu dem Spiel draußen an der Steinplatte gibt. Es gibt nun zum Beispiel einen geregelten Trainingsablauf und auch Punktspiele. An einem Trainingstag wird sich als erstes eingespielt, um wieder ein Ballgefühl zu bekommen. Dann spielt man entweder Übungen mit seinem Partner, das können einfache Vorhandübungen sein, jedoch gibt es natürlich auch sehr komplexe Übungen oder man geht an den Balleimer. Wie der Name schon verrät, gibt es dort nun einen ganzen Eimer voller Bälle. Der Trainer spielt nun nach und nach die Bälle auf die Position, welche der Spieler gerne trainieren möchte. Nachdem man den Rückschlag ausgeführt hat, nimmt der Trainer den Ball nicht an sondern spielt direkt einen neuen Ball. Der Spieler muss nun sehr schnell reagieren und in die Ausgangsposition zurückkehren, um auch direkt den nächsten Ball zurück zu spielen. Spieler die häufig am Balleimer waren, weisen oft eine saubere Technik und ein gutes Reaktionsvermögen auf. Die erfahrenden Spieler spielen dann irgendwann kaum noch am Balleimer.

Das Training mit einem Partner unterscheidet sich aber trotzdem nicht viel vom Training der jüngeren oder unerfahrenen Spieler. Die Übungen werden in einem ganz anderen Tempo gespielt und sind auch deutlich komplexer. Bei besonders guten Spielern kann einem beim Zusehen die Kinnlade herunter klappen.

Ein weiteres großes Thema im Tischtennis sind die Aufschläge und die darauffolgende Annahme. Diese Elemente kommen eigentlich in fast jedem Trainingsprogramm vor und sind nicht zu vernachlässigen. Auch wenn Aufschläge eher unwichtig erscheinen können, ist ein breites Repertoire essenziell, um viele Punkte zu erzielen. Der Ball fliegt in die Luft. Ich entscheide in weniger als einer Sekunde welchen Aufschlag ich mache, falls ich mir das nicht schon vor dem Hochwerfen überlegt habe. Jetzt muss ich kurz vor dem Berühren des Balles noch einmal hochschauen, um eine Seite ausfindig zu machen, die etwas freier ist. Jetzt muss ich den Ball so streichen, dass der gewünschte Schnitt entsteht. Die Entscheidung fällt auf Unter- plus Seitenschnitt. Mein Schläger streicht den Ball von unten. Am Ende der Bewegung gebe ich ihm noch ein wenig Seitenschnitt dazu, indem mein Handgelenk nach unten klappt und den Ball so nochmal seitlich anschneidet. Der Ball kommt in die Vorhand, weil ich weiß, dass mein Gegner dort schwächer ist. Der Rückschläger ist hoch konzentriert und muss den Schnitt richtig deuten. Er unterschätzt den Seitenschnitt und geht gerade mit dem Schläger gegen den Ball. Er kann nur noch hinterherschauen, wie der Ball seitlich an der Platte vorbei geht.

Diese Situationen kommen oft vor, wenn man regelmäßig zum Training kommt. Dann stehen nämlich auch irgendwann Punktspiele an. In der Jugend spielt man in der untersten Altersklasse in Zweier-Teams, später dann in Vierer-Mannschaften. Eine Mannschaft spielt immer in einer Staffel, also einer Liga mit sechs bis zwölf weiteren Mannschaften. Es gibt eine Hinrunde und eine Rückrunde, man spielt also gegen jedes Team ein Heim- und ein Auswärtsspiel. Zuerst werden die Doppel gespielt, also zwei gegen zwei an einem Tisch. Danach hat jeder zwei Einzel in seinem Paarkreuz. Nummer eins und zwei einer Mannschaft sind ein Paarkreuz, Nummer drei und vier auch und gegebenenfalls auch 5 und 6 bei einer Sechser-Mannschaft.

Aufgestellt sind die Spieler nach Spielstärke. Die Spielstärke wird durch QTTR- Punkte festgelegt. Gewinnt man, dann erhält man Punkte. Verliert man, dann verliert man Punkte. Wenn man jedoch gegen einen schwächeren Spieler verliert, verliert man auch mehr QTTR- Punkte, als würde man gegen einen stärkeren Gegner verlieren. Bei gewonnen Spielen ist das genauso. Jeder hat zwei Einzel in seinem Paarkreuz. Jeder Sieg, egal ob Doppel oder Einzel, gibt einen Punkt für die Mannschaft. Das Team, dass am Ende am meisten Punkte auf dem Konto hat gewinnt.

Tischtennis ist also ein Einzel- und Teamsport. Punktspiele sind taktisch geprägt. Wann mache ich welchen Aufschlag? Auf welcher Seite ist mein Gegner stärker? Auf welchen Schnitt ist mein Gegner anfällig? Viele Spieler nutzen auch Psychospielchen. Sie schreien laut nach jedem gewonnenem Punkt, lassen sich vor jedem Aufschlag lange Zeit oder kommentieren jeden Punkt. Davon darf man sich nicht verunsichern lassen. Es werden immer drei Gewinnsätze gespielt. Wer zuerst drei Sätze bis 11 Punkte gewonnen hat, geht als Sieger von der Platte. Der größte Nervenkitzel sind die Matchbälle für den Gegner. Noch einen Punkt für den Gegner und er hat gewonnen. Beim eigenen Aufschlag muss man sich jetzt genau überlegen, was man macht und das Adrenalin schießt durch den Körper. Diesen Moment kennt jeder Tischtennisspieler und sie sind besonders schwer. Bei einem Fehler ist das ganze Spiel verloren. Es ist sehr schwer in solchen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren, jedoch fällt es den sehr guten Spielern leichter.

Einer von diesen sehr guten Spielern ist Abdoulaziz Anorboev, welcher beim SV Arminia Hannover vermeintlich "nur" in der Oberliga spielt. Das Niveau ist schon in Deutschlands 5. Spielklasse hoch. Anorboev ist usbekischer Nationalspieler. Mit Usbekistan traf er im Oktober 2022 bei den World Team Championships in China sogar auf Deutschland. Anorboev traf auf Benedikt Duda. Dieser ist Bundesligaspieler beim TTC Schwalbe Bergneustadt. Ein klares Ding könnte man denken, nachdem der Usbeke den ersten Satz mit 11:3 verlor. Doch dann wurde es erst richtig spannend. Anorboev kam immer besser ins Spiel und zeigte weniger Fehler beim Annehmen des Aufschlages vom Aufschlagspezialisten Duda. Schnelle Ballwechsel, viel Beinarbeit und nahezu perfekte Präzision gab es nun im 2. Satz zu bestaunen, doch auch hier setze sich schlussendlich der Superstar von Schwalbe Bergneustadt durch. Der dritte Satz fing aber noch besser für ihn an. Anorboev ging mit 4:2 in Führung. Er fand nun fast immer gute Antworten auf die herausragenden Angriffe von Duda. Nach vielen knappen und spannenden Ballwechseln, stand es nun jedoch zehn zu acht für den Deutschen Bundesligaspieler. Matchball. Nach einem genialen Ballwechsel über die Vor- und Rückhand führt ein Ball ins Netz zum 3:0 Satzgewinn für Duda. Dieses Spiel zeigt jedoch, dass auch vier Ligen unter der Bundesliga noch ein hohes Niveau herrscht.

Wenn man Tischtennis im Verein spielt, erfährt man eine ganz neue Seite des Sports. Sehr taktisch, sehr schnell und sehr anstrengend. Aber am Wichtigsten bleibt: Tischtennis macht einfach Spaß.


Promedia Maassen
06.04.2023 11:09 Uhr
Lieber Hinrich, vielen Dank für deinen gelungenen Blogbeitrag. Man kann deine Begeisterung für dein Hobby richtig herauslesen. Du gibst einen anschaulichen Einblick in diesen Sport und bei der Textpassage, in der es um deinen Aufschlag geht, haben wir richtig mitgefiebert. Wir wünschen dir weiterhin viele spannende Spiele und immer eine schnelle Reaktionszeit an der Platte. Liebe Grüße vom Promedia Maassen Team

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