Paula Plesch

Wenn wichtige Medikamente fehlen

self-Logo 06.04.2023 Paula Plesch, Ricarda-Huch-Schule Hannover

Es ist Mittwochnachmittag. Eine Frau in ihren Dreißigern fragt in der Apotheke nach einem Fiebersaft für ihr Kind. Leider kann ihr nicht geholfen werden. Cornelius Döll arbeitet seit etwa 13 Jahren in der Lister-Passagen-Apotheke in Hannover als Apothekenleiter. Auch er bekommt den Arzneimangel zu spüren. Wenn Kunden Medikamente brauchen, welche momentan nicht vorhanden sind, so werden diese zu anderen Apotheken geschickt. Einige Kunden zeigen auch ihre Unzufriedenheit. 

Der Arznei- und Medikamentenmangel ist ein komplexes Problem, das weltweit viele Menschen betrifft. Obwohl es für viele Menschen selbstverständlich ist, dass sie jederzeit Zugang zu den Medikamenten haben, die sie benötigen, ist dies bei immer mehr Menschen nicht mehr der Fall. Der Mangel kann aus verschiedenen Gründen entstehen, wie zum Beispiel Engpässen in der Produktion, Lieferengpässen, steigenden Preisen oder Problemen bei der Verteilung. Dies hat schwerwiegende Folgen für Patienten, die auf bestimmte Medikamente angewiesen sind.  Eine andere Möglichkeit, ist das Verschreiben von ähnlichen Medikamenten oder andere Formen der Behandlung, wie Nahrungsergänzungsmittel oder pflanzliche Arzneimittel.

Vor allem Medikamente für Kinder, wie Fiebersäfte, fehlen. Aber auch Blutdrucksenker oder Brustkrebsmedikamente sind vom Arzneimangel betroffen. Zuletzt war die Versorgung mit Medikamenten 2020 so bedenklich. Trotzdem sind die hier fehlenden Medikamente noch im Ausland vorhanden.

Wenn man auf Social Media Plattformen das Suchwort "Fiebersaft" eingibt, kann man einen wütenden Tweet nach dem anderen lesen. Viele Eltern beschweren sich über die fehlende Versorgung. „Verantwortliche behaupten jetzt einfach, wir wären gut durch den Winter gekommen. Weil sie es können. Weil weder Schulausfall in irgendeiner Dokumentation auftaucht, noch Eltern, die verzweifelt nach Fiebersaft oder Antibiotika gesucht haben oder bei Ärzten weggeschickt wurden.“, wurde zum Beispiel am 08.02.23 von @Renate77777777 geschrieben. Nur sechs Tage später schrieb @Schnappnatter: „Was das Problem des Medikamentenmangels wie Penicillin, Fiebersaft, Krebsmedikamente und vieles mehr nicht unter den Tisch kehren lässt. Seit vielen Monaten weisen die Ärzte darauf hin und die Politik schläft.“

Ein Grund der Engpässe ist, dass viele Medikamente im Ausland produziert werden. Deutschland ist, was die Medikamente betrifft, abhängig von Asien. Wenn diese Lieferungsverzögerungen haben, zum Beispiel durch Produktionsfehler, so bekommt man dies hier zu spüren. Viele der Länder, wie China und Indien, produzieren die Medikamente für einen Bruchteil der Kosten in Europa. Deutschland investiert wenig Geld in Arzneimittel. Wenngleich es auch noch deutsch Generikahersteller gibt, dazu gehören Ratiopharm, Aristo Pharma, Hexal und Wacker-Biopharma, kauft es Generika zum Beispiel aus Indien und China. Generika umfassen aktuell fast 80% der deutschen Arzneimittelversorgung. 

Außerdem gibt es noch die festen Preise für Medikamente in Deutschland. Während die Herstellungskosten und somit der faire Preis einiger Medikamente steigen, bleiben die Kaufpreise gleich. Somit gibt es keinen lohnenswerten Profit für die Hersteller. Sie hören auf, das Medikament zu produzieren. 

Die Unternehmen reagieren empfindlich auf die Einschnitte. Obwohl das letzte Jahr ein wirtschaftlicher Erfolg war. Die Bruttowertschöpfung betrug nach dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) rund 85 Milliarden Euro. 

Es ist der 20. Dezember 2022. Karl Lauterbach steht vor einem Pult. Einige Mikrofone, von verschiedenen Sendern sind auf ihn gerichtet. Die Bühne ist blau, bis auf den Schriftzug. „Bundesministerium für Gesundheit BMG Federal Ministry of Health“, steht dort in Weiß. Lauterbach selber trägt ein schwarzes Jackett. Darunter ist ein brauner Pullover mit einem Hemdkragen. Auch trägt er seine Brille. Das Haar ist ordentlich zur Seite gekämmt. 

Karl Lauterbach möchte Medikamente, bei denen der Patentschutz abgelaufen ist, teurer anbieten. Er kündigt an, dass die Krankenkassen damit zu rechnen haben 1,5-mal mehr zu bezahlen, als beim vorherigen Festpreis. Auch bei wichtigen Medikamenten für Kinder, soll durch eine Erhöhung der Preise sichergestellt werden, dass diese auskömmlich sind. Jedoch ist dieses Vorgehen keine anhaltende Lösung. Vom gesundheitspolitischen Sprecher der Union-Bundestagsfraktion Tino Sorge (CDU) wurde Lauterbach vorgeworfen zu langsam gehandelt zu haben. Er glaube nicht, dass sich etwas in den kommenden Monaten ändern würde. 

Helmut Schröder, stellvertretender WIDO-Geschäftsführer ist der Meinung, dass das Melden von fehlenden Arzneimitteln für Pharmaunternehmen Pflicht werden sollte. „In anderen Ländern – Schweden, Österreich – gibt es eine verpflichtende Meldung, ob ein Arzneimittel verfügbar ist oder nicht. In Deutschland ist das freiwillig. Pharmazeutische Hersteller müssten verpflichtet werden, diese nicht lieferfähigen Arzneimittel auch zu listen“, erklärte Schröder beim Dlf.

Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig erklärte in der Ärzteblatt Ausgabe von 17.02.2023: „Wir müssen ganz klar sagen: Wir haben keine Lieferengpässe bei den Arzneimitteln, die sehr lukrativ sind. Bei denen passt die Industrie sehr auf, dass es da zu keinen Produktionsproblemen kommt. Sie ist da sehr viel besser aufgestellt als bei so banalen Arzneimitteln wie Paracetamol oder Ibuprofen. Denn während die Entwicklung und Vermarktung innovativer, patentgeschützter Arzneimittel trotz aller struktureller Probleme noch Margen einfährt, von denen die meisten anderen Branchen nur träumen können, ist der Gürtel bei der Grundversorgung umso enger geschnallt.“ 

Auf der offiziellen Seite, des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) kann man eine Übersicht der von Lieferengpässen betroffenen Medikamenten abrufen. Dazu gehören zum Beispiel paracetamol- und ibuprofenhaltige Fiebersäfte. Unter anderem kann man auch nachlesen, dass Paracetamolsaft im letzten Sommer deutlich mehr von Apotheken gekauft wurde, als das es verkauft wurde. Nur ein halbes Jahr später, scheint es umgekehrt zu sein. Die Nachfrage ist höher als das Angebot. 

Das Bundesministerium für Gesundheit hofft nun durch ein geplantes Generikagesetz die Lage zu bessern. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Apotheker 50 Cent bekommen, wenn diese Rücksprache mit Ärzten führen. Auch soll es mehr Möglichkeiten geben, um Statistiken für fehlende Medikamente zu erstellen. 

In der kleinen Apotheke stehen die Kunden geduldig in der Schlange und warten, dass sie an die Reihe kommen. „Es wäre schön, wenn grundsätzlich wieder mehr in Deutschland oder zumindest in der EU produziert werden würde.“, erklärt Cornelius Döll. „Wie man aktuell sehen kann, sind wir abgeschnitten und bekommen nichts mehr, sobald etwas in der Welt nicht richtig läuft.“

Quelle: Gesundheitspolitik - Medikamentenmangel in Deutschland | deutschlandfunk.de

BfArM - Lieferengpässe

www.aerzteblatt.de/archiv/228777/Arzneimittel-Gesetzesinitiativen-sollen-Lieferengpaessen-vorbeugen


Promedia Maassen
17.04.2023 10:21 Uhr
Liebe Paula, vielen Dank für deinen Blogbeitrag. Du hast ein sehr aktuelles Thema gewählt, das leider viele Menschen schwer betrifft. Man kann sich als gesunder Mensch wahrscheinlich gar nicht vorstellen, wie viel Sorge das auslöst, wenn man auf Medikamente angewiesen ist und diese plötzlich nicht mehr zu haben sind... Uns würde interessieren, wie du bei der Erstellung deines Beitrags vorgegangen bist, denn du hast viele Zitate eingebunden und ja auch konkrete Situationen sehr genau beschrieben (20. Dezember 2022). Hast du dir zunächst überlegt, wen du zitieren möchtest und welche Situationen oder bist du nach der Themenwahl auf diese Stimmen zufällig gestoßen? Interessant und gut finden wir, wie du auch Stimmen aus der Bevölkerung einbindest und dich dazu Äußerungen auf Twitter bedient hast. So musstest du keine eigene Umfrage/Interviews führen, konntest aber dennoch auch Betroffene einbinden. Liebe Grüße das Promedia Maassen Team

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